Wortlaut der Verfassungsklage der UFG

 

 

 

 

 

Bundesverfassungsgericht

Postfach 1771

76006 Karlsruhe

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Verfassungsbeschwerde gegen das vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22.4.2021

 

 

 

 

Sehr geehrter Damen und Herren,

 

 

ich lege Verfassungsbeschwerde gegen das vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22.4.2021 ein, d.h. die Änderung, die sich aus §28b ergibt.

 

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wird durch dieses Gesetz in folgenden Punkten verletzt:

 

Artikel 11:

(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.

(2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden oder in denen es zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen, zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist.

 

Artikel 20:

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

 

Kernaussage von Artikel 11 des Grundgesetzes ist, dass die Freiheiten von Bürgern nur dann eingeschränkt werden dürfen, wenn dadurch insgesamt von der Allgemeinheit signifikanter Schaden abgewendet wird.

 

Aufgrund folgender Tatsachen ist die Einschränkung von Freiheitsrechten gemäß obigen Gesetzes nicht gerechtfertigt:

 

Durch die Bindung der Freiheitseinschränkungen an die 7-Tage-Inzidenz der CORONA--Covid-SARS-2 - Erkrankung ist nicht sichergestellt, dass überhaupt Lasten für die Allgemeinheit entstehen, bevor die Freiheitsrechte beschnitten werden.

 

Bereits aus diesem Grund ist das Gesetz verfassungswidrig.

 

Der Frage, ob die Freiheitseinschränkungen, durch die die Allgemeinheit auch stark gesundheitlich und finanziell belastet wird, bei einer tatsächlichen Belastung durch Corona-Viren gerechtfertigt sind, ist erst zweitrangig zu entscheiden und soll zunächst nicht Gegenstand dieser Beschwerde sein. Es gibt zahlreiche Begründungen, dass der allgemeine Schaden durch Freiheitsbeschränkungen signifikant größer ist als durch CORONA- Erkrankungen. Diese Begründungen werden hier nicht aufgeführt.

 

Die Begründung dafür, dass die 7-Tage-Inzidenz keine geeignete Grundlage für Freiheitseinschränkungen ist, ist die, dass eine mit Corona infizierte Person nur in Ausnahmefällen eine signifikante gesundheitliche Belastung hat. Es ist normal beim viruellen Geschehen, dass sich die Krankheitssymptome mit der Zeit abschwächen. Viren mutieren eher zu zwar ansteckenderen aber ungefährlicheren Viren als zu gefährlicheren Viren. Außerdem ist durch die Verbreitung einer natürlichen oder künstlichen (Impfung) Immunität davon auszugehen, dass man sich mit neuen Mutationen zwar noch anstecken kann, aber keine relevanten Krankheitssymptome hat. Hohe Inzidenzwerte ohne eine Belastung der Allgemeinheit sind also durchaus wahrscheinlich. Im Endeffekt wird eine Corona- Infizierung wahrscheinlich harmloser sein als eine Grippe-Infizierung.

 

Laut WHO infizieren sich bei der fast jährlich auftretenden Grippewelle 10-20% der Bevölkerung. Das bedeutet für Deutschland einen 7-Tage-Inzidenzwert von ca. 200.000, wenn alle Bundesbürger getestet werden, wenn 1% der Bevölkerung getestet wird ergibt sich immer noch eine Inzidenz von 2000. Dies zeigt, dass Inzidenz-Werte wesentlich von der Anzahl an Tests abhängt. Eine Erhöhung von Inzidenzen kann daher ausschließlich auf die Erhöhung von Testzahlen beruhen. Auch deshalb hat die 7-Tage-Inzidenz keinerlei Aussagekraft auf die Belastung der Allgemeinheit und darf nicht als Entscheidungsgrundlage für Freiheitseinschränkungen dienen.

 

Virologen wissen, dass Inzidenzen keine Aussagekraft über die Gefährlichkeit einer Virenwelle haben. Deshalb werden bei Grippewellen Inzidenzen nicht zur Kontrolle verwendet. Das Gleiche gilt für andere Parameter wie "Todeszahlen durch oder mit Corona-Infektion" oder Reproduktionszahlen.

Ein Parameter mit Aussagekraft auf die Gefährdung der Allgemeinheit wurde vor kurzem von einer Expertengruppe definiert: Es ist die Anzahl an Neubelegungen von Intensiv- Krankenhausbetten, die direkt auf Viren- Erkrankungen zurückzuführen sind.

 

Dieser Parameter wäre daher eine verfassungskonforme Entscheidungsgrundlage für Einschränkungen von Freiheiten laut Grundgesetz.

 

Ein Vorteil dieses Parameters ist neben der weitgehenden Objektivität, dass er für alle Virenepidemien verwendet werden kann. Auch wegen des gesetzlich vorgegebenen Gleichbehandlungsgebot sind von Sondergesetzen für spezifische Epidemien Abstand zu nehmen. Auch das beweist, dass das beklagte Gesetz keine Gefährdungslage zur Begründung von Freiheitseinschränkungen heranzieht, sondern eine Situation, die zwar eine Gefährdung sein könnte, aber nicht damit korreliert.

 

Die Anwendung des vorgeschlagenen Parameters wird auch einen weitgehend objektiven Vergleich mit anderen Epidemien ermöglichen, was bisher nur anhand von Übersterblichkeiten möglich ist. Übersterblichkeiten von Epidemien zeigen, dass die jährlichen Grippewellen auch ein erhebliches Belastungspotenzial der Bevölkerung haben. Es sterben fast jedes Jahr mehrere Zehntausend Menschen an Grippe. Bei der Grippewelle in 2018 waren es 24.000 innerhalb eines Monats (März) mit Spitzenwerten von weit über 1000 pro Tag. Die Zeitungen waren voll mit katastrophalen Überbelegungen von Intensivbetten in Krankenhäusern. Hier sind keine Maßnahmen beschlossen worden. Trotzdem war die "Welle" innerhalb eines Monats vorbei. Dies macht belastende Einschränkungen von Freiheiten in so fern fragwürdig, dass dies zeigt, dass die Natur selbst dafür sorgt, dass Virenwellen in jedem Fall wellenförmig verlaufen, d.h. ein Ende haben.

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen,